19.03.2008

Was Sammy heute Samuel sagt.

Sammy: „Auf einmal war da ein Loch, ein Nichts, ein offenes Ende ohne Licht, einen dunklen Geruch, den ich nicht erkennen konnte – ja, wenn Du, Samuel, mich jetzt fragst, würde ich sagen: es war so, als ob eine frische & prickelnde Frucht, die lange auf mich gewartet hatte, auf einmal auseinander fiel & einen faulen Kern offenbarte. Ich wusste nicht mehr, worauf ich mich noch orientieren konnte.“

„Ich war da ganz oben. Was es heißt, da ganz oben zu sein? Na ja, das ist schwierig zu beschreiben. Da ganz oben ist man eingebettet in tragende Ströme, wie Vögel in hohen Luftbewegungen – in Erwartungen & Hoffnungen & weiten Perspektiven & uralten Motiven & bedeutungsvollen Schwingungen. Alles da oben hängt mit allem zusammen, wie in einer Symphonie von Gustav Mahler oder auf einem Bild von Willem de Kooning. Die Töne & Rhythmen & Farben & Flächen bewegen sich wie ein Schwarm Stare. Und man ist da mittendrin.“

„Ja, ganz oben sein, das heißt noch nicht geboren sein, oder vielleicht besser gesagt: im Kommen sein. Man ist da ganz oben immer selbstverständlich unterwegs. Man geht auf etwas zu. Man neigt sich nach vorne und damit nach unten. Vorne ist da oben gleich unten. Aber unten riecht es gut, ganz gut, so wie es von hier unten ja gerade da oben frisch & prickelnd riecht. Da oben sind irgendwie Weg und Ziel immer eins und das Gleiche.“

„Als ich da oben war, was sah ich da unten? Na ja, das ist schwierig zu beschreiben. Ich würde sagen, dass ich da unten zwei Menschen sah, zwei dunkle Menschen, die alte Bücher liebten – ihre Zeigefinger waren immer & immer zwischen aufgeschlagenen Blättern mit fast brennenden Zeichen, die von rechts nach links liefen. Dieses von rechts nach links laufen von Zeichen, hat mich damals da oben sehr beschäftigt, weil ich spürte: der göttliche Reigen bewegt sich von rechts nach links.“

„Die zwei Menschen wohnten in einer Stadt an einem breiten Fluss. Ich meinte – na ja, da oben „meint“ man eigentlich gar nichts, man merkt die Dinge einfach – dass in dieser Stadt noch viele andere sich von rechts nach links bewegende Zeigefinger waren. Und ich wollte da hin. Ich wollte vor allem bei diesen zwei dunklen Menschen sein, die irgendwie etwas bewahrten, was ich abholen sollte – die auf mich warteten, genau so dringend, wie ich mich auf sie zu bewegen wollte. Sie hatten mir etwas zu sagen, zu enthüllen, zu zeigen über mich.“

„Aber dann war auf einmal das Loch da. Die beiden waren verschwunden. Ich konnte leider nicht sehen, wie das geschehen war. Ich spürte da unten eine heftige Unruhe, als ob alles durcheinander geraten & sich von rechts nach links bewegen irgendwie nicht mehr möglich war. Vage meinte ich einen langen & düsteren Weg in östliche Richtung zu sehen, von mir aus gesehen klar von links nach rechts, der sich in einem Nichts auflöste. Weil es da oben den Begriff Tod nicht gibt, konnte ich nicht verstehen, was passiert war.“

„Jetzt weiß ich es: die beiden waren tot.“

„Ich wusste nicht mehr, worauf ich mich in meinem Kommen richten sollte. Ich war nicht mehr unterwegs. Und fast hätte ich mich umgedreht & den Weg zurück eingeschlagen, den Weg in die oberen Schwingungen & Bedeutungen & Herkünfte. Nicht weil ich mich danach sehnte, nein, das war ganz und gar nicht der Fall! Ich wusste einfach keinen anderen Weg. Es gab nichts anderes.“

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