29.08.2010

Zum Vorlesen. Wie Poli lernt, endlich mal ein Tor zu schießen

Seine Mutter steht in seinem Zimmer und ruft: „Poli, aufstehen! Der Tag hat begonnen!“ Poli will aber nicht aufstehen und tut so, als ob er noch schläft. Er hält seine Augen fest geschlossen. Er hatte gerade einen Traum. Ein Mann hat ihm gezeigt, wie man den Ball am besten ins Tor schießen kann. Und das war ihm im Moment am allerwichtigsten, wie man ein Tor macht. Jetzt aufzustehen, seine Zähne zu putzen, runter zu gehen und ein Brot zu essen, dazu hat Poli gar keine Lust. Seine Mutter lässt aber nicht locker. Sie zieht die warme Decke von seinem Bett und sagt: „Hopla Poli, komm, dein Vater wartet schon!“

Poli hasst es, wenn seine Mutter ihn weckt. Sie macht das jeden Morgen so. Sie will immer Zähne putzen, runter gehen und Brot essen. Und dann mit dem Fahrrad in den Kindergarten fahren. Auch wenn es regnet oder schneit. Und Poli hasst es, wenn er im Regen Fahrrad fahren muss, weil er dann nass wird. Seiner Mutter ist das egal. Sie sagt dann: „Poli, manchmal ist es eben so, dass man nass werden muss!“ Poli sieht das aber anders. Er meint, wenn es regnet, dann kann er doch einfach zu Hause bleiben, oder?

Noch hält er seine Augen geschlossen. Der Mann mit dem Ball ist noch immer da. Er schaut lachend auf Poli und fragt: „Na, was machen wir jetzt? Hören wir auf?“ Und bevor seine Mutter weiterredet, sagt er zu dem Mann noch schnell: „Bitte, bitte, bitte, komm morgen wieder, dann können wir weiter machen!“ „Gut“, sagt der Mann, „dann bis morgen. Ich bringe den Ball mit.“

Poli dreht sich um und öffnet seine Augen. Seine Mutter schiebt gerade die Gardinen zur Seite und öffnet das Fenster. Poli spürt die kalte Luft auf seiner Haut. Er hasst kalte Luft, vor allem früh am Morgen. Langsam bewegt er sich zum Rand seines Bettes, lässt seine nackten Füße runter fallen und streckt seine Beine aus. Jetzt steht er. „Komm“, sagt seine Mutter, „wir haben nicht viel Zeit“. Der Mann mit dem Fußball ist aber noch immer nicht verschwunden. Er steht jetzt neben dem Kleiderschrank und sagt: „Also, bis morgen!“

„Ja, bis morgen“, antwortet Poli. „Was sagst du?“, fragt seine Mutter. „Nichts“, sagt Poli. Er schaut auf den Stuhl neben dem Schrank. Dort hat seine Mutter seine Kleider bereit gelegt. Ganz unten seine rote Hose, darauf sein blaues Shirt mit den springenden Delphinen, dann seine Unterhose, seine roten Socken und ganz oben seine schwarzen Schuhe. Er liebt seine schwarzen Schuhe, weil er damit ganz gut Fußball spielen kann. Er hasst es aber seine Kleider anzuziehen: erst die Unterhose, dann die Socken, dann das Shirt mit den Delphinen, dann seine Hose und dann seine Schuhe.

Der Mann mit dem Ball ist jetzt verschwunden. Poli fühlt sich ein bisschen alleine. „Ich will die Delphine nicht“, sagt er zu seiner Mutter. „Nein?“, antwortet sie, „und warum nicht? Deine Tante hat das Shirt für dich aus Griechenland mitgebracht!“ Aber Poli mag heute die Delphine nicht, und seine Tante und Griechenland sowieso nicht. In einem blauen Shirt mit Delphinen aus Griechenland werden keine Tore geschossen. Und ganz sicher nicht, wenn auch noch seine Tante dabei ist.

„Dein Vater wartet noch immer“, sagt seine Mutter. Poli geht jetzt ins Badezimmer, wo die Zahnbürste wartet. Sie steht in einem Glas und riecht nach Pfefferminz. Neben dem Glas liegt eine Tube Zahnpasta. Auch sie riecht nach Pfefferminz. Alles im Badezimmer riecht nach Pfefferminz. Und Poli hasst heute den Geruch von Pfefferminz. Wie soll man mit dem Geruch von Pfefferminz in seiner Nase ein Tor schießen?

Seine Mutter steht neben Poli und schaut zu. „Ich bin gespannt“, sagt sie. Poli weiß ganz genau, was seine Mutter damit meint. Wenn sie sagt, dass sie gespannt ist, muss Poli aufpassen. Er klettert auf den Hocker, will mit seiner rechten Hand nach der Zahnpasta greifen und hört schon, dass er falsch liegt. „Nein Poli“, sagt seine Mutter, „die Zahnpasta kannst du am besten in deiner linken Hand nehmen. Die rechte Hand ist für die Bürste. Das weißt du doch schon? Gestern hast du es richtig gemacht.“

Gestern? Gestern hat Poli Fußball gespielt. Mit Bruno und Vanessa und Kevin und Daniel. Und beinah hat Poli ein Tor geschossen! Poli erinnert sich noch deutlich daran. Daniel hatte den Ball von links gespielt. Vanessa stand im Tor. Und Poli hatte geschossen, mit seinem schwarzen linken Schuh. Oder mit dem rechten Schuh? Und den Ball voll getroffen. Pöff hatte der Ball gesagt. Richtig pöff! Vanessa hat den Ball leider mit ihrer linken Hand gestoppt. Oder war es mit ihrer rechten Hand? Und Bruno hatte gesagt: „Poh, poh, das war beinah ein Tor!“

Poli steht auf dem Hocker. In seiner linken Hand hält er die Tube Zahnpasta, in seiner rechten Hand die Bürste. In den Spiegel kann er nicht schauen, weil er zu klein ist. Das macht ihm aber nichts. Er weiß doch, dass im Spiegel der Mann mit dem Ball wartet. „Ja, morgen“, sagt er, „morgen machen wir weiter“. „Was meinst du?“ fragt seine Mutter. „Nichts“, sagt Poli. Und er versucht die blaue Pasta auf die Bürste zu kriegen. Es gelingt! „Gut so“, sagt seine Mutter, „ein bisschen weniger hätte allerdings auch gereicht“.

3 Kommentare:

Michael Heinen-Anders hat gesagt…

Lieber Jelle!

Schön, die Geschichte von Poli. Er wird sicherlich bald ein Tor schiessen, denn der Mann mit dem Ball wird im Traum wiederkehren. Vielleicht wird Poli, wenn er "groß" ist, in seiner Schule zur Schulmannschaft gehören und jede Menge wichtige Tore schießen, wie Poldi, sein Kölner Idol in der (deutschen) Nationalmannschaft...

Herzlich,

Michael Heinen-Anders

Foersterliesel hat gesagt…

schön!

Anonym hat gesagt…

Poli ... Poliziano ... what's next ? Ich bin gespannt.
Josiane