20.06.2014

Ein neuer Anfang (2). Prolog und Epilog

In der Saturnsphäre (siehe unten) stehen Gegenstände nicht wie in einem Schaufenster, klingen Nachrichten nicht wie aus einem Lautsprecher, finden Ereignisse nicht wie in einem Stadion statt, sind Erzählungen nicht wie in einem Text festgelegt, beschränken Düfte sich nicht wie in einer Flasche und sitzen Menschen nicht wie in einem Bus.

Saturn erlaubt es den Dingen, den Meldungen, den Geschehnissen, den Wörtern, Worten und Begriffen, Gerüchen und menschlichen Körpern gerade noch erkennbare Erscheinungen zu sein, die sich in erkennbaren Zusammenhängen aufhalten, ja: gerade noch... In der Saturnsphäre hört langsam aber sicher die vertraute Überschaubarkeit des Lebens in Raum und Zeit auf.

Man kann sich dagegen wehren, klammert sich dann an seinem Kalender fest, verinnerlicht immer wieder die gleichen „Wahrheiten“, hält sich eventuelle Nachfolger vom Leib, schluckt Viagra und schreibt seine Memoiren, legt sich also darauf fest was augenscheinlich einmal war. Dieser Kampf ist allerdings bereits zu Beginn verloren, weil die Saturnkräfte nicht nur ein kleines bisschen mächtig sind. An den Wurzeln eines Baums hängt ja die ganze Erde.

Im Wirkungsfeld des großen Planeten erscheinen vor allem die konkreten Menschen wie komplexe Gestalten ohne feste Konturen; oh ja, sie haben noch ein Antlitz, einen Blick, einen unverwechselbaren Duktus, sie haben eben noch einen Eigennamen und ein Handy, sie weiten sich jedoch wie die letzten Ringe über die letzten Dinge aus (mit Dank an Rainer Maria Rilke). Würde lässt sich nicht fotografieren, Menschen im Wirkungsfeld des Saturns noch weniger. (Mit Dank an Bob Dylan.)

Das einzige literarische Format im Bereich des Saturns ist die Mischung von Prolog und Epilog: Schiebe Anfang und Ende ineinander und entzünde somit Erzählungen, die nur noch Ereignis sind, die sich quasi überflüssig machen, weil sie gerade im Geschehen sind. Das Urbild des saturnalen Erzählens ist wohl der beteiligte Fußball-Reporter, der „TOR!!!“ schreit, gerade in dem Moment, in dem der Ball über die weiße Linie saust. In anthroposophischen Fachbegriffen heißt das: In der Saturnsphäre wird „intuitiv“ gesprochen.

Ein neuer Anfang. Saturn in der Biographie

Im Lebenslauf melden sich ab dem 56. Lebensjahr immer stärker die Kräfte, die von dem Planeten Saturn ausgehen. Sie durchziehen unterschwellig die Untergründe der Seele und machen sich als tragende und entzündende Wärme bemerkbar. Diese Kräfte sind darauf angewiesen vom Bewusstsein her wahrgenommen zu werden; obwohl sie mächtig sind, drängen sie sich nicht auf, sie treten erst dann in den Vordergrund, wenn sie dazu eingeladen werden.

Mit der Wirkung des Saturn im Inneren des Menschen gehen drei Phänomene einher. Das Erste bezieht sich auf eine Verstärkung des Erlebens der Spannung zwischen Zeit und Ewigkeit. Die Ereignisse im Leben, die sich ja im Verlauf der Zeit ereignen, immer im Hier und Jetzt also, werden in ein Gespür der Ewigkeit eingebettet. Was klein und schmal erscheint – ich arbeite in meinem Garten, in diesem EINEN, MEINEM Garten – zeigt sich in der Sphäre des Saturn als groß und breit. Es ist, als ob ALLE Gärten, die es gibt oder je gab, in meinem Empfinden irgendwie leise mitschwingen. „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“, schrieb Goethe dazu im Faust. Dieses Erleben wird von einer süß-bitteren Melancholie gefärbt.

Das zweite Phänomen hat damit zu tun, dass die Wärme des Saturn sich zwar als Grund des Lebens zeigt, sich allerdings nicht mit Füßen betreten lässt. Für das übliche Denken scheint sie eher ein Abgrund zu sein, eine maßlose Tiefe und Breite, die uns ungeheuerlich umschlingt. Um die Wärme tatsächlich als tragend erfahren zu können, muss man lernen, sich schwebend in die Wärme hinein zu begeben, nicht mit den Füssen also, sondern mit den Flügeln an unseren ätherischen Schultern. Das Schweben ist die große Fähigkeit des Älterwerdens, es ist die bewusste Umkehrung des unbewussten Daseins des kleinen Kindes, (das sich ja selbstverständlich tragen lässt).

Das dritte Phänomen ist am schwierigsten zu beschreiben. Es hängt mit einer subtilen Empfindung zusammen, die besagt, dass alles was wir denken, fühlen und tun nicht nur Wirkung einer Ursache, sondern auch Ursache einer Wirkung ist. Oder anders gesagt: In all unseren geistigen, seelischen und physischen Taten liegt eine „Entzündung“ verborgen, wir sind tatsächlich in jeder Sekunde dabei, die Welt neu zu gestalten, auch wenn wir es nicht merken. Oder noch wieder anders gesagt: In der Sphäre des Saturn erscheinen wir als „Götter“, die Welt geht ständig aus UNS hervor.

Saturn macht keinen Unterschied zwischen kleinen und großen Ereignissen. Saturn ist so groß, er räumt für alles einen großzügigen Platz ein. Die schöne Aufgabe der älteren Menschen liegt darin, quasi schweigend auf die Dinge des Lebens zu schauen und ihnen einen Platz zu geben, die kleinen Sachen des Lebens also groß zu machen, einfach dadurch, dass sie den Sachen die Aufmerksamkeit schenken, die sie brauchen, um überhaupt als Ereignis anerkannt zu werden. Und nein, niemand braucht damit zu warten, bis sie oder er 56 Jahre alt geworden ist. Saturn ist immer und überall da.

05.06.2014

Ein neuer Anfang (2). Prolog und Epilog

In der Saturnsphäre (siehe unten) stehen Gegenstände nicht wie in einem Schaufenster, klingen Nachrichten nicht wie aus einem Lautsprecher, finden Ereignisse nicht wie in einem Stadion statt, sind Erzählungen nicht wie in einem Text festgelegt, beschränken Düfte sich nicht wie in einer Flasche und sitzen Menschen nicht wie in einem Bus.

Saturn erlaubt es den Dingen, den Meldungen, den Geschehnissen, den Wörtern, Worten und Begriffen, Gerüchen und menschlichen Körpern gerade noch erkennbare Erscheinungen zu sein, die sich in erkennbaren Zusammenhängen aufhalten, ja: gerade noch... In der Saturnsphäre hört langsam aber sicher die vertraute Überschaubarkeit des Lebens in Raum und Zeit auf.

Man kann sich dagegen wehren, klammert sich dann an seinem Kalender fest, verinnerlicht immer wieder die gleichen „Wahrheiten“, hält sich eventuelle Nachfolger vom Leib, schluckt Viagra und schreibt seine Memoiren, legt sich also darauf fest was augenscheinlich einmal war. Dieser Kampf ist allerdings bereits zu Beginn verloren, weil die Saturnkräfte nicht nur ein kleines bisschen mächtig sind. An den Wurzeln eines Baums hängt ja die ganze Erde.

Im Wirkungsfeld des großen Planeten erscheinen vor allem die konkreten Menschen wie komplexe Gestalten ohne feste Konturen; oh ja, sie haben noch ein Antlitz, einen Blick, einen unverwechselbaren Duktus, sie haben eben noch einen Eigennamen und ein Handy, sie weiten sich jedoch wie die letzten Ringe über die letzten Dinge aus (mit Dank an Rainer Maria Rilke). Würde lässt sich nicht fotografieren, Menschen im Wirkungsfeld des Saturns noch weniger. (Mit Dank an Bob Dylan.)

Das einzige literarische Format im Bereich des Saturns ist die Mischung von Prolog und Epilog: Schiebe Anfang und Ende ineinander und entzünde somit Erzählungen, die nur noch Ereignis sind, die sich quasi überflüssig machen, weil sie gerade im Geschehen sind. Das Urbild des saturnalen Erzählens ist wohl der beteiligte Fußball-Reporter, der „TOR!!!“ schreit, gerade in dem Moment, in dem der Ball über die weiße Linie saust. In anthroposophischen Fachbegriffen heißt das: In der Saturnsphäre wird „intuitiv“ gesprochen.