17.05.2009

Susanne Sturm schrieb: „Wir MCSler sind Kanarienvögel“

Also, seitdem ich mich so anders ernähre, gebrauche ich viel mehr Salz. Fast scheint es mir, als ob manches mal mir das Salz die Süße ist. Nicht jedes Salz ist gleich gut, am liebsten mag ich Steinsalz. Auch Himalayasalz ist gut, natürlich ist es auch ein Steinsalz, aber das, was ich meine, ist das Steinsalz aus einer bestimmten Gegend. Himalayasalz, das war mal, jetzt das Steinsalz aus meiner Heimat.
Salz auf meiner Haut, ein Roman, den mochte ich auch, das war auch mal. Echtes Salz auf meiner Haut nach dem Baden im Meer, das liebe ich ebenfalls, vor allem Salz in meinem Haar. Dann wird es so besonders, und meine Locken können Locken sein, eher klein und unaufdringlich, aber doch da, stetig und gedreht. Die Sonne macht es dann hell und ich fühle mich sommersprossig gut.
Salz in der Wunde ist nicht so gut, aber irgendwie manchmal doch. Einen Moment halte ich die Luft an, spüre den Schmerz und atme ihn weg. Es sind aber auch nur kleine Wunden, wie es bei den großen wäre? Ich weiß nicht, ob ich so lange den Atem anhalten könnte. Wunden, die noch tiefer sind und schon Narben gebildet widerstehen dem Salz und der Atem kann endlos angehalten werden.
Salz heilt aber auch.
Gurgeln mit Salzwasser.
Zähneputzen mit Salz.
Salz auf Bilder kippen, den Boden scheuern.
Salz als Mutprobe, mit zehn und noch zwei weiteren Mädchen. Heimlich mitgenommen von zu Hause, in einem Kaffeepapierfilter. Aber dann doch nicht genommen, es war einfach zu eklig, und dann war es uns auch zu blöd. Wir waren trotzdem Freundinnen und ein geheimer Bund im Gartenhaus von Birgit.
Salz auch auf Weinflecken im Teppich oder der Tischdecke, schnell, schnell, ehe es eingetrocknet ist. Salz als Brocken, den mein Vater aus einem Bergwerk mitbrachte; er durfte einfahren, als Gewerkschaftssekretär, ich nicht, ich war ein Kind und ein Mädchen, kein Mann. Nur Männer dürfen Unter Tage. Merkwürdig. Und Schnupftabak aus Pfefferminzpulver schniefen sie durch die Nase, weil man dort unten nicht rauchen darf. Wieso brauchen Bergmänner überhaupt was für die Nase und Mund?
Und wenn die Luft gar zu schlecht wird, dann sterben zuerst die Kanarienvögel, sie begleiteten die Männer, damit diese nicht starben und die Frauen nicht weinten und die Kinder ihre Väter hatten. Samstags gehört Vati mir. Und damit bin ich bei meinem Essen mit viel Salz, was so anders ist als bei andren und anders als früher bei mir.
Wir, die MCSler, sind auch Kanarienvögel. Wir reagieren als erste, so wie die Wälder und die Vögel im Bergwerk, die Bienen. Vielleicht achtet man nicht auf uns, weil wir vorher nicht so schön gesungen haben. Mädchen die pfeifen, Hühner die krähen, den sollten man beizeiten die Hälse umdrehen. Krause Haare krauser Sinn, sitzt nichts als der Deibel drin.
Du renitente Hexe.
Gut, dass mein Vater ein Gewerkschaftssekretär war, für ihn war ich der Goldfasan.
Susanne Sturm

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