23.05.2010

Amares in Köln. Ein Ort für Transporter, Künstler, Mathematiker, Feuermacher und Spieler

Amares ist ein Ort für Kinder. Räumlich gesprochen besteht er aus einem ehemaligen Betriebshof der Stadt Köln im Kölner Stadtwald. Der Hof ist von einer Mauer umgeben, an der Seite stehen eine Reihe alter Garagen, die mit offenen Augen nach innen auf den Hof schauen, und ein kleines, gemütliches Gebäude, das einen Kindergarten mit zwei Gruppen von Kindern beherbergt. Mitten im Hof steht eine Linde, die sich bemerkbar über die insgesamt dreißig Kinder im Alter von etwa zwei bis fünf Jahren freut.

Amares ist Spanisch und bedeutet: Arten des Liebhabens. Als Amares vor zweieinhalb Jahren gegründet wurde, gab es drei pädagogische Leitsätze: Räume für Kinder schaffen, Zeit geben & als Erwachsene einfach aufmerksam dabei sein. Mittlerweile gibt es zirka zehn MitarbeiterInnen und eine ganze Truppe von Eltern, die täglich mit den Kindern im Raum und in der Zeit unterwegs sind.

Amares versteht sich als eine Einrichtung, die sich zwischen Natur und Kultur hin und her bewegt. Die Natur ist durch den Stadtwald reichlich vorhanden, die Kultur wird von den MitarbeiterInnen und Eltern gebracht – und von den Kindern, die bauen & planen & malen & untersuchen & Fragen stellen & immer wieder spielend unglaubliche Ereignisse erzeugen. Jeden Tag ist bei Amares so richtig etwas los.

Weil ich zum Gründungsvorstand gehöre, kriege ich immer wieder die wunderbaren Geschichten mit. Sie belegen, dass die Leitsätze sich bewahrheiten. Wenn Erwachsene es schaffen, mit ihrem „sanften Willen“ (Georg Kühlewind) unbefangen und wach bei den Kindern zu sein und mitzumachen, kreieren die Kinder selber jeden Tag wieder genau die Welt, die sie gerne haben. In Amares entfalten sich geniale Transporter, Handwerker, Konstruktionsarbeiter, Mathematiker, Künstler, Pfleger, Naturwissenschaftler, Sozialarbeiter...

Und auch die Erwachsenen können sein, was sie (nicht länger heimlich) auch noch sein wollen: Malerinnen, Photographinnen, Bauarbeiter, Schmiede, Feuermacher, Köchinnen, Spielerinnen... So etwas wie „reine“ ErzieherInnen oder PädagogInnen gibt es bei Amares nicht. Und vielleicht liegt dort das Herz von Amares: die sogenannte „Pädagogik“ ist ins Leben eingebettet worden. Man geht nicht morgens früh zu Amares um zu betreuen oder betreut zu werden, sondern um immer wieder neu ins Leben einzusteigen.

Das heißt aber nicht, dass es bei Amares nur Spaß und Freunde gibt, sondern auch Sorgen und Tränen. Ein Thema, dass immer wieder in den Gesprächen zwischen MitarbeiterInnen und Eltern auftaucht, wäre vielleicht noch am besten mit den Begriffen Dienstleitung und Gemeinschaft anzudeuten. Manchmal wird Amares als eine Einrichtung verstanden, die im Auftrag der Öffentlichkeit einer bestimmten Aufgabe nachgeht, nämlich zwischen acht und vier Uhr für kleine Kinder zu sorgen.

Manchmal aber wird Amares eher als eine Gemeinschaft verstanden – diesbezüglich wird wohl von einer „erweiterten WG“ gesprochen, oder eben von „einer Familie“. Vor allem am Nachmittag, wenn die Kinder abgeholt werden, bleiben manche Väter und Mütter noch eine Weile da, sitzen auf den Bänken und Baumstämmen, reden miteinander über dieses und jenes, schauen auf die Kinder, die sich gar nicht von ihren Spielen verabschieden wollen, oder sprechen mit den MitarbeiterInnen über die „pädagogischen“ Sorgen.

Die Präsenz der Eltern ist wichtig für die Kinder. Sie fühlen sich eingebettet in eine Truppe von Erwachsenen, die eine lebendige Beziehung zueinander haben – und auch wenn die Kleinen an den Gesprächen gar nicht beteiligt sind, sondern sich entschlossen den eigenen Vorhaben widmen, spüren sie die wohlwollende Aufmerksamkeit der Erwachsenen. (Und es tut so richtig weh, wenn der eigene Vater oder die eigene Mutter nicht in der Lage ist, noch eine Weile zu bleiben, zum Beispiel weil die Arbeit ruft.)

Für das Team wäre es manchmal einfacher, sich auf die konkrete Dienstleistung zu beschränken und die Eltern nicht nur wegzuschicken, sondern auch grundsätzlich weg zu „denken“. Wenn man über die Dienstleitung hinaus auch eine Gemeinschaft ermöglichen will – und dazu Räume schafft und Zeit gibt und dabei ist – entstehen persönliche Beziehungen zwischen Vätern und Vätern, Müttern und Müttern, Müttern und Vätern, ErzieherInnen und Väter-Müttern, die bekanntlich manchmal auch verwirrend werden. So ist das nun einmal mit menschlichen Beziehungen: sie haben eine Dynamik, die über die Regeln der Dienstleistungen hinaus geht.

Und dadurch entstehen manchmal Spannungen, die vor allem von den MitarbeiterInnen gelöst werden sollen. Sie müssen hinkriegen, dass das Frühstück zum Beispiel zumindest halbwegs pünktlich stattfindet, denn sonst bleibt für die Kinder keine Zeit mehr übrig, um in den Wald zu gehen. An dieser Stelle sind die Eltern und MitarbeiterInnen von Amares manchmal gespalten: einerseits ist das Verlangen nach Gemeinschaft groß, andererseits scheint es manchmal notwendig zu sein, das Leben nach einfachen Regeln zu gestalten.

Für diese Spannung, so meine ich, gibt es keine Lösung. Sich auf reine Dienstleistungen zu beschränken, bedeutet der soziale und pädagogische Tod. Sich allerdings uneingeschränkt auf die tausend Möglichkeiten des Liebhabens einzulassen, bedeutet Chaos. Die Lösung-die-es-nicht-gibt liegt in der Akzeptanz der Spannung als eine sinnvolle Polarität, genauso wie wir Tag und Nacht akzeptieren. Der Weg nach vorne ist ein Tanz.

17 Kommentare:

Michael Heinen-Anders hat gesagt…

DAZWISCHEN

Gurrend lockendes Vogelgezwitscher,
über mir,
das sanft murmelnde Gesäusel
eines moosbegrünten Bachlaufs,
unter mir:

Ich stehe auf der höchsten Kuppe
eines Hügels,
über mir der grenzenlose Himmel,
unter mir die Geheimnisse der Natur.

Was würde ich vorziehen, wenn ich
zu wählen hätte den Lebensort?
Den weiten, gestirnten Himmel über mir,
etwa als gefiederter Gast,
oder die zu mikroskopierende Natur unter mir,
etwa als gepanzerte Waldameise?

Ich fasse keinen Entschluss -
ich bleibe im Dazwischen, menschelnd,
wie so oft in meinem Leben.

(Michael Heinen-Anders)

Ruthild Soltau hat gesagt…

Lieber Jelle!
Das Problem, das Du beschreibst, hängt damit zusammen, dass die pädagogische Arbeit wie eine Ware angesehen wird, man spricht es nicht so aus, aber es ist doch das eigentliche "Ding". Jeder, der mit Kindern arbeitet, mit ihnen lebt, sie erzieht, wird damit konfrontiert, auch Lehrer. Wir müssen die freie Tat, die pädagogische Kunst, erkämpfen. Aber eigentlich ist das gleiche Problem im Verhältnis zu jeder Arbeit und jedem Beruf vorhanden. Auch handwerkliche, auch therapeutische, auch pflegerische Arbeit, auch die Arbeit in der Industrie und schließlich auch alle Dienstleistungen sollten keine Ware sein! Ich finde, dass Du den Begriff "Dienstleistung" unglücklich und missverständlich verwendest.
Liebe Grüße Ruthild

Anonym hat gesagt…

Hallo Ruthild,

ja der Begriff "Dienstleistung" hat etwas sehr bindendes und einschränkendes in unserer Gesellschaft. In meinem früheren Berufsleben als Fahrradverkäufer wurde von mir am Ende verlangt, das ich möglichst viele Fahrräder verkaufe, die Beziehung zu den Menschen und die dazu gehörigen Prozesse wurden irgendwann als fast lästig empfunden ( dauert zu lange), die Dienstleistung besagte: Rad verkaufen, ab zum nächsten Kunden. Und so sollen wir auch im öffentlichen Kontext Kinder erziehen: Gesellschaftskonform, anpassungsfähig, stressfrei, unpersönlich, von daher empfinde ich den Begriff "Dienstleistung", wie Jelle ihn benutzt im Moment als leider noch passend. Arbeiten wir daran, das ein anderes Bewusstsein entsteht, nicht nur in der Kahlgrachtmühle!

Es grüsst

der Ralf

Ruthild hat gesagt…

Lieber Ralf, was Du beschreibst, bestärkt erst Recht meinen Einwandt: Wollen wir nicht gerade den Kindern die Achtung vor den verschiedensten menschlichen Tätigkeiten vermitteln? Herzliche Grüße Ruthild

Jelle van der Meulen hat gesagt…

Liebe Ruthild, ich möchte gerne daran beitragen, dass der Begriff "Dienstleistung" in deinem Sinne verwandelt wird. Herzlich, Jelle

Martin hat gesagt…

Noch schlimmer als das Wort "Dienstleistung" finde ich das "Produkt": in der Zeitung steht: "Das Produkt Geburtsanzeigen finden Sie heute Auf Seite..."
Das Produkt Kinderbetreuung finden Sie bei Amares oder im Kinderhaus...? Das Produkt Gesundheit finden Sie in der Apotheke oder beim Facharzt. Aber wo finden wir das Produkt Beziehungen? Das Produkt Liebe?
Da nehme ich doch lieber das Wort Dienstleistung, lese bewusst das "Dienen" darin und beginne, mit meinen Möglichkeiten den Kindern zu dienen, die uns anvertraut sind.
Liebe Grüße
Martin

Anonym hat gesagt…

Ich verstehe schon, was Jelle van der Meulen meint. Und er hat recht. Müssen wir uns hier jetzt um Wörter streiten? Nitta

Ruthild hat gesagt…

Danke, Jelle!
Liebe Nitta, ich finde nicht, dass wir uns um Wörter streiten. Wie wir mit und übereinander sprechen ist doch sehr wesentlich! Ich wollte Jelle nicht angreifen und habe mich auch nicht angegriffen gefühlt! Herzlich Ruthild

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