12.03.2009

Die Schätze von Köln. Die Verlegenheit ist vorbei

Köln besteht aus vier Herzkammern. Und das heißt, dass das Herz von Köln zwischen Norden & Süden, Osten & Westen klopft. Köln ist aber auch verunsichert. In meinem Buch „Herzwerk“ schrieb ich 2006 über die Stadt: „Es scheint, als befänden sich die Kölner – ganz anders als die Einwohner von Amsterdam, Florenz oder Brügge – in einer gewissen Verlegenheit. Sie wollen die Dinge aus der Vergangenheit zwar gut bewahren, doch gleichzeitig wissen sie nicht, was sie damit anfangen sollen“.

Und: „Die Kölner sprechen untereinander oft liebevoll von ihrer ´Metropole`, doch es gelingt ihnen nicht, deren Besonderheiten den Besuchern sichtbar zu machen“. Wenn man nach Köln kommt und die Stadt besucht, wird man nicht bedrängend auf ihre wunderbare Geschichte hingewiesen. Ganz im Gegenteil: die Spuren von Albertus Magnus & Konrad Adenhauer & Heinrich Böll & Karl-Heinz Stockhausen findet man nur, wenn man Glück hat.

Köln blickt auf eine Geschichte von 2000 Jahren zurück. Wenn man gräbt oder rückwärts denkt, stößt man auf Rheinländer, Nazis, Preußen, Franzosen, Benediktiner & Dominikaner, Normannen, Franken, Merowinger, Römer & Ubier.

Als letzte Woche Dienstag, am 03.03.2009 um 13.58 Uhr, das historische Stadtarchiv an der Severinstrasse einstürzte, wurde die Aufmerksamkeit weltweit auf die Schätze von Köln gerichtet. Auf einmal wurde deutlich, dass der imposante Dom der Stadt, den Blick von manch anderen wunderbaren Sachen abgelenkt hat. Und die Kölner selber waren schon ein bisschen überrascht zu erfahren, dass es sich bei ihrem Stadtarchiv um das größte kommunale Archiv nördlich der Alpen handelt.

Das sechsstöckige Archivgebäude an der Severinstrasse stand unauffällig in der Südstadt. Es schien sich nur mit der physischen Aufbewahrung von Urkunden & Akten & Karten & Manuskripten zu beschäftigen. Nicht weniger als 26 Regalkilometer Akten befanden sich hinter der introvertierten Fassade. Wenn ich an dem Gebäude vorbei kam, hatte ich nicht das Gefühl gerufen zu werden. Nein, die Fenster-die-es-gar-nicht-gab waren nicht an Passanten interessiert. Sie blickten nicht nach außen, sondern nur nach innen, auf Schätze die niemand sah.

Jetzt sind die Schätze in der Unterwelt gelandet. So ist es mit nicht geliebten Schätzen: sie verschwinden in den verborgenen Tunneln des Lebens. Ich glaube aber nicht, dass sie wirklich verschwunden sind. Meine Vorhersage lautet: die Schätze werden ausgegraben & richtig ins Licht gestellt werden.

Also, die Kölner werden graben. Und sie werden ihre Verlegenheit überwinden & ihre Metropole mit neuen Augen anschauen & sie mit neuen Augen zeigen.

Mit Dank an Sophie Pannitschka

3 Kommentare:

JANET hat gesagt…

so ist es erst müssen Katastrophen passieren und schon wird man aufmerksam..ist das ein Drama unserer Zeit?

Anonym hat gesagt…

Gerade meldet t-online, dass auch die zweite kostbare Handschrift von Albertus Magnus, dem Lehrer von Thomas von Aquin geborgen wurde. Darüber freuen wir uns natürlich sehr. Gleichzeitig denken wir aber auch an zwei junge Männer, die ihr Leben an sich noch vor sich hatten. Und wir denken auch an die Menschen, die ganz plötzlich ihr Heim und ihre vertrauten persönlichen Sachen verloren haben: ihre Fotoalben, den letzten Brief der verstorbenen Mutter u.ä. Der Verlust der beiden Jungen ist dabei der größte Gau....Und alles das wegen Pfusch am Bau und Schlamperei, der schiefe Kirchturm hat also umsonst gewarnt.
Viele Grüße Barbara

Anonym hat gesagt…

Lieber Jelle,
heute meldet die Stuttgarter Zeitung Nr.71, Seite 6, vom 26.03.09, unter der Überschrift: "Eine Schatzkammer in der Tiefe des Berges":
"Das Kölner Stadtarchiv kann nach dem Einstutrz nicht alle Originaldokumente retten, aber Sicherungsfilme davon aus dm zentralen Bergungsort der BRD im Barbarastollen bei Freiburg anfordern. Dort ist das "Gedächtnis der Nation" in 1380 Edelstahlfässern gelagert. - Das Stadtarchiv Köln hat im Barbarastollen 6369 Filme eingelagert mit insgesamt 10 Mio. Einzelaufnahmen. Im Findbuch ist genau aufgelistet, was in den Bestandslisten nur stichwortartig benannt ist: "Adenauer, Büro Oberbürgermeister". Oder: ERheinische Zeitung, Akten". Das Privatarchiv von Heinrich Böll ist noch nicht dabei."
Viele Grüße, Regina