14.12.2007

Mani heute. "Stand up to be discontinued"

Stuttgart, den 6. Dezember. Roland van Vliet steht auf der Bühne im Saal von Forum3. Er redet. Ich schaue ihn an und komme an drei Phänomene nicht vorbei. Das erste ist seine riesige Gestalt. Nur weil ich Roland zu meinen Freunden rechne, darf ich schreiben, dass er physisch enorm ist. Sein Bauch ist groß, sein Kopf ist groß und seine Gebärden sind groß. Und weil seine Haare richtig lang sind – nein, wegen seinem vornehmen dreiteiligen Anzug sieht er gerade nicht wie ein Sechziger aus – wirkt das Ganze imposant. Irgendwie meint man, dass sich in seinem Körper alles Mögliche zusammengefunden hat, um strahlend & unausweichlich präsent zu sein.

Das zweite Phänomen betrifft sein Denken. Sein Denken ist groß & weit & gewichtig. Seine Gedanken haben Gewicht. Als er etwas über Nietzsche und Foucault sagt, spürt man ein Kilo Philosophie – ein Kilo, das übrigens trotz seines Gewichts frei & schwebend bleibt. So denkt Roland van Vliet: Er nimmt gewichtige Gedanken zwischen seine Arme und bewegt sie mit einer erstaunlichen Leichtigkeit, als ob er ein Tänzer wäre mit einer Partnerin, die er mühelos hin und her bewegt. Alle wunderbaren Seiten der Partnerin werden uns gezeigt. Und müde scheint Roland nicht so werden – ganz am Ende schwitzt er nur ein bisschen.

Dann aber das dritte Phänomen. Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was der richtige Begriff dafür ist. Wirkt er charmant? Ja. Wirkt er liebevoll? Ja. Wirkt er empathisch? Durchaus. Ich würde es vorläufig so beschreiben: Er scheint eine Innenwelt zu haben, die sich weit über seinen Bauch und seine breiten Gebärden bis an die Hinterwand des Saals ausbreitet und den Zuhörern einen „Verbleib“ bietet, wo Wärme & Licht herrschen. Ich fühle mich in diesem Innenraum nicht nur „aufgehoben“, sondern auch zu mir geführt. Irgendwie scheint es mir so zu sein, als ob Roland ein jungfräuliches Lächeln verbreitet, das einen milden Riss in der harten Wirklichkeit verursacht.

Das Thema in Stuttgart ist der Manichäismus. Anlässlich des Erscheinens eines Buches von Roland über Manichäismus[i] sind etwa hundertfünfzig Leute aus Deutschland, Schweden, der Schweiz, Belgien und Holland zusammengekommen. Als Erster spricht Professor Alois van Tongerloo aus Leuven. Am Ende seines Vortrages erzählt er von den Namen der Hauptfiguren in der Gralsgeschichte. Als er den Namen „Parzival“ behandelt und die Bedeutung dessen beschreibt, klingt bisher Ungesagtes. Van Tongerloo meint, dass der Name Parzival nichts anderes bedeutet als: „Der das Umherschweifende erleidet in einer nicht koordinierten Bewegung“.

Dann bin ich dran. Ich hatte geplant, mit einem Zitat von Captain Beefheart anzufangen, nämlich: „Stand up to be discontinued“ – und ich mache das auch. Ich stelle aber fest, dass Beefhearts Aussage unerwartet eingebettet ist in der Übersetzung des Namens Parzival. Hatte die Aussage Beefhearts für mich schon eine Aura, so findet sie noch eine zweite nach innen gerichtete Strahlung in der neuen Bedeutung des Namens Parzival. Und ich denke: Wie kann es wahr sein, dass heute in Stuttgart diese beiden Sätze ungeplant (nicht koordiniert) zusammenkommen? Und ich merke, dass durch dieses Zusammenkommen das Umherschweifende greifbar wird.

Als Roland als Letzter auf der Bühne erscheint, kriegt das Umherschweifende eine Gestalt. Er lässt seinen geplanten Vortrag sein was er ist, (nämlich ein geplanter Vortrag), und reagiert spontan auf das, was Alois van Tongerloo und ich gesagt haben. Er spricht von der „ungeteilten Aufmerksamkeit“ – d.h. von der Fähigkeit, sich im wachen Bewusstsein mit den Dingen & Worten & Menschen & Gedanken & Gefühlen & Taten zu verschmelzen. Und er redet von Einheit und Verschiedenheit – ein Thema, das schon Plato sehr beschäftigt hat. Wo findet man die Einheit in der Vielfalt? Und umgekehrt natürlich genau so: Wo findet man die Vielfalt in der Einheit? Wenn ich Roland gut verstehe, meint er, dass wir die Einheit finden in dem Akt – was ja ein Ereignis ist – der Verschmelzung im wachen Bewusstsein. Das Bewusstsein ist die Stelle, wo die Spannung zwischen Einheit und Vielfalt nicht nur erlebt, sondern vor allem erst kreiert und dann wieder aufgehoben wird.

Das Treffen in Stuttgart war ein Ereignis und ich empfehle, das Buch von Roland zu lesen.

[i] Roland van Vliet, Der Manichäismus. Geschichte und Zukunft einer frühchristlichen Kirche, Urachhaus, 2007

4 Kommentare:

Michael Dackweiler hat gesagt…

Lieber Jelle!

Danke für Deinen Eindruck und die Gestalt die Du ihm gegeben hast. Der abend war sehr besonders für mich, vor allem in der so unterschiedlichen Ausstrahlung von Dir und von Roland sowie dem Professor.
Vor allem auch das Spiel, das Ringen zwischen den Qualitäten des Hauptes und des Herzens, auf so unterschiedliche und charakteristische Weise.
Was kann daraus noch alles wachsen?
Was sind die guten Schritte um euch den Rau zu geben, der dazu hilft, die Qualitäten in die Welt zu tragen?
Mit Dank und Gruss

Michael Dackweiler

Michael Dackweiler hat gesagt…

Lieber Jelle!

Danke für Deinen Eindruck und die Gestalt die Du ihm gegeben hast. Der abend war sehr besonders für mich, vor allem in der so unterschiedlichen Ausstrahlung von Dir und von Roland sowie dem Professor.
Vor allem auch das Spiel, das Ringen zwischen den Qualitäten des Hauptes und des Herzens, auf so unterschiedliche und charakteristische Weise.
Was kann daraus noch alles wachsen?
Was sind die guten Schritte um euch den Rau zu geben, der dazu hilft, die Qualitäten in die Welt zu tragen?
Mit Dank und Gruss

Michael Dackweiler

Anonym hat gesagt…

Als Zuhörerin der drei Vortragenden möchte ich an die Aussage, dass das Treffen ein Ereignis war anknüpfen. Was für ein Ereignis war dieser Nachmittag und Abend im Forum 3 in Stuttgart, wie kann dieses Ereignis beschrieben werden und wohin führt es?
Ich denke zuerst an den Saal, in dem der Event - die Manichäische Konferenz - stattgefunden hat. Alle die da waren werden sich erinnern: Zunächst muss man vom Erdgeschoß aus viele Stufen bis zum Eingang des schwarz gehaltenen Raumes hinuntersteigen – und dann ist man, erstaunlicher Weise, an der obersten Stelle des Saals. Bis zur Bühne geht es noch weiter abwärts. Die Veranstaltung hat also offensichtlich unter der Erde stattgefunden, ich glaube nicht, dass das Tageslicht die Chance hat in diesen tief liegenden Raum zu gelangen.
Also, wir kommen unter der Erde zusammen um die Geburt eines Buches über den Manichäismus von Roland van Vliet mit drei Vorträgen, Überleitungen und musikalischer Untermalung zu feiern. Viele Menschen sind zusammen gekommen um dabei zu sein und Anteil daran zu nehmen – wir sind alle zu dieser Konferenz eingeladen worden. Die Konferenz findet nun im Wesentlichen zwischen den drei Vortragenden statt, (was bedeutet eigentlich das Wort Konferenz wirklich?) all die anderen sind Zuhörer, Zuschauer – Zeugen.
Der erste Vortragende berichtet in meinen Augen aus der Vergangenheit heraus, wir befinden uns in einer zeitlichen Urferne – es geht um alte Schriftfunde des Manichäismus, Übersetzungs- und Interpretationsfragen, kurz, um wissenschaftliche Erkenntnisse eines weit zurückliegenden Phänomens. Der zweite Vortragende vertritt die Gegenwart, ich glaube, dass nicht nur ich mich unmittelbar angesprochen fühlte – hier wird an die Impulse Bernard Lievegoeds angeknüpft und es werden Schlaglichter auf gegenwärtige Phänomene und Ereignisse gelenkt. Es geht um Licht und Schatten im zwischenmenschlichen Bereich. Und nun kommt der dritte Vortragende – und hier scheint mir die Zukunft durch die gesprochenen Worte zu leuchten. Es geht um die Einbindung des Manichäismus in die westliche Philosophie. Hier werden Denker zitiert, die ihrer Zeit weit voraus waren und ein alles miteinander verknüpfendes Netz von Gedanken, Ideen und Ansichten wird sichtbar. Zeitliche, historische und geistesgeschichtliche Abläufe werden präsentiert und dürfen gehört werden.
All diese verschiedenen Worte und gedanklichen Zusammenhänge der Vortragenden haben nun, da sie im Forum3 ausgesprochen werden und klingen, die Möglichkeit im Innenraum der Zuhörer einen Ort zu finden, wo sie sich, um fruchtbar zu werden, ausbreiten dürfen, können, müssen. Anders gesagt: Die ausgesprochenen Gedanken suchen einen Referenzraum im Zuhörer, dem gegenwärtigen Menschen. Was machen wir damit?
Der Forum3-Saal hat seine Türen für die manichäische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft geöffnet, hat Worte darüber erklingen lassen – und all dies trifft sich nun in den Herzen der Zuhörer. Da gibt es Verbindendes und Trennendes – Verständliches und Geheimnisvolles – Bekanntes und Unbekanntes und jede Menge inspirierende Fragestellungen. Die Vortragenden haben das Ihre getan – jetzt dürfen die Zuhörer den Schatz, den sie bekommen haben mit ans Tageslicht nehmen, hinaus in die Großstadt Stuttgart – nach Holland, Belgien, in die Schweiz, nach Schweden und ganz Deutschland. Den Event tragen wir nun also in uns, im Innenraum des Zuhörers – und können ihn mit nach draußen, nach außen, hinaus aus dem dunklen, unterirdischen Saal nehmen.
Vielleicht dürfen wir ein nächstes Mal mitreden, auch unsere Stimmen erklingen lassen. Von Herzen Dank für diese Einblicke! Charlotte

Anonym hat gesagt…

[url=http://kfarbair.com][img]http://www.kfarbair.com/_images/_photos/photo_big7.jpg[/img][/url]

בית מלון [url=http://www.kfarbair.com]כפר בעיר[/url] - [url=http://www.kfarbair.com/about.html]חדרים[/url] גדולים אנו מציעים שירותי אירוח מיוחדים כמו כן ישנו במקום שירות חדרים הכולל [url=http://www.kfarbair.com/eng/index.html]ארוחות רומנטיות[/url] במחירים מיוחדים אשר יוגשו ישירות לחדרכם...

לפרטים נוספים נא לפנות לאתרנו - [url=http://kfarbair.com]כפר בעיר[/url] [url=http://www.kfarbair.com/contact.html][img]http://www.kfarbair.com/_images/apixel.gif[/img][/url]