Was Samuel heute Sammy sagt. Über die Welle der Würdigkeit
„Vielleicht ist es so, dass du immer elf geblieben bist? Oder soll ich mir die Frage stellen: ist Sammy immer elf geblieben? Wer soll eine Antwort geben? Ich oder du? Oder die Person in der Tarnkappe?“
„Sammy, du bist eine Welle. Mir scheint es so zu sein, dass du wie eine Welle in mir immer im Kommen bist, genauso wie Freundschaft & Gemeinschaft & Wahrheit immer im Kommen sind. Einerseits bist du erstarrt und fixiert, andererseits aber trittst du in Erscheinung als eine Bewegung am Horizont. Und wenn ich Angst habe, meine ich: Sammy ist ein Tsunami – er wird mich bald erschüttern!“
„Ich sollte auf dich schauen, wie auf etwas was im Kommen ist. Deine kleine Gestalt im Wohnzimmer unserer Eltern ist höchstens ein Ankerpunkt, ein Signal in der bekannten Welt von etwas Unbekanntem, so wie eine singende Amsel am Abend viel mehr ist, als ein schwarzer Punkt auf einem Schornstein. Das Singen der Amsel deutet auf etwas, das aus der Nacht im Kommen ist. Hören wir nicht die Träume & Sehnsüchte & Vorsätze der Nacht?“
„Was hast du mit mir vor? Oder müsste ich sagen: was habe ich mit dir vor? Was ist die richtige Frage? Heute Morgen beim Aufwachen warst du auf einmal wieder da, wie eine Entzündung in meinem Bauch – eine kleine schmerzende Stelle zwischen Leber & Nieren & Galle. Es tat richtig weh, und ich dachte: Sammy ist wieder da. Und ich dachte wegen des Schmerzes: was ist mit Sammy los?“
„Ja, ich denke wegen des Schmerzes oft an Dich. So ist es mit dem Schmerz: in & durch & über den Schmerz können wir uns selber immer wieder ein bisschen besser kennen lernen. Aber nur wenn wir es wollen.“
„Beim Aufwachen heute Morgen wusste ich auf einmal wieder, dass du damals verliebt warst. Es gab ja Til, die kleine & leichte & rote Til-mit-Sommersprossen, die am Nachmittag nach der Schule immer wieder auf dich gewartet hat. Sie war oft verärgert, weil sie spürte, dass dir nicht klar war, dass sie auf dich wartete. Aber wie hättest du wissen können, dass auf dich gewartet wurde? Du wusstest doch nicht einmal, dass du existiertest?“
„Ist es letztendlich nicht Til gewesen, die dich zu dir gebracht hat? Du wirst dich bestimmt noch erinnern, was an diesem warmen Nachmittag im Mai geschah, als sie wieder auf dich gewartet hatte, und sagte: Komm Sammy, jetzt machen wir es... Und du hattest keine Ahnung wovon sie sprach, sagtest aber: Klar, jetzt machen wir es... Til hat deine Hand genommen und dich in den Park geleitet.“
„Komm, sagte sie immer wieder... Und sie hat dich im Park unter einen riesigen Rhododendron geführt. Erst schaute sie dir in die Augen und du hast gemerkt, dass ihr Blick voll & warm & weckend war. Irgendetwas Wichtiges und Lebendiges, so hast du gemerkt, gab es in diesem Blick. Und dann hat sie langsam deine beiden Hände genommen und auf ihre Brüste – die waren ja im Kommen! – gelegt. Und sie flüsterte: Jemand soll doch merken, dass es meine Brüste gibt! Und: Noch weiß niemand davon!“
„Und du hast die Brüste gespürt. Sie waren klein & glatt & fest. Und sie waren ein Geheimnis. Auch hast du gespürt, dass die Brüste Til gehören, und dass nur sie – nur ihre volle & warme & weckende Anwesenheit – dir die Brüste zeigen konnten. Ohne Til gibt es die Brüste nicht, so wie Til meinte, dass es sie ohne deine Berührung nicht gibt. Ist es nicht so, Sammy, dass du ihre Brüste noch immer im Gedächtnis deiner Hände spüren kannst?“
"Seitdem bist du heilig verliebt, bis zum heutigen Tag. Ja, um dich im Wohnzimmer deiner Eltern zu sehen und zu verstehen, müssen wir auch feststellen, dass du heilig verliebt bist. Du warst und bist noch immer erstart & verliebt. Und heute, Sammy, fallen mir ein paar Worte ein, die über dir und Til schweben. Die Worte sind: Welle der Würdigkeit."
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