Ich möchte heute einmal über eine
Wolke schreiben, die gleichzeitig Außenraum und Innenraum ist; die
sich um uns herum befindet, auch zwischen uns, vor allem in uns –
um sie zu lokalisieren werden schon ein paar Präpositionen
gebraucht: an, auf, hinter, neben, in... Und um sie zu verstehen,
müssen wir weit in die Vergangenheit zurück gehen, dahin, als sie
im Indogermanischen noch „uelg“ genannt wurde, was ungefähr
„feucht“ bedeutete, „Nebel“ etwa, also Wasser in schwebendem
Zustand, langsam von oben nach unten kommend, oder umgekehrt von
unten nach oben steigend, leicht tanzend, weil sie von den Bewegungen
der Luft getragen wird, sich ausdehnend oder zusammenziehend... Die
Wolke umfasst und durchdringt uns, bewegt das, was hinter unserer
Haut strömt, löst es auf, vermischt es mit dem Wasser draußen, mit
dem Licht auch, das wie Milch ausgebreitet wird, wie Nahrung für die
Augen... Wir denken nicht mehr oft daran, aber wahr bleibt wahr: Wir
sind Wolkenwesen, die sich verirrt haben in feste Körper, in Händen
und Füssen stecken geblieben sind, an einem Baby sieht man es noch:
Es krabbelt, mammelt, löffelt, würmelt, verdrießelt und
verdrasselt wie eine Wolke, die es umgibt, es krabbelt und frütselt
und murmelt sich quasi aus der Wolke raus... Und wenn es mit seinen
scharfen Zähnen in meine Nase beißt, das macht es gerne, hat es
keine Ahnung davon, dass mir das weht tut, weil es als Wolke wohl
keine Schmerzen gibt... Und mein halb gespieltes und halb gemeintes
„Au“ ist höchstens der Schrei eines schwarzen Raben, der in der
luftigen Feuchtigkeit gleich verschwindet, nur einen leichten
Schrecken hinterlässt, ein befremdetes Staunen, das irgendwie zum
Körper führt, dorthin, wo alles trocken scheint, nur scheint... Ja,
das kleine und das große Bangen verankert uns in unserem Körper.
Die Wolke, möchte ich heute sagen, ist überall, sie ist nicht
verschwunden, auch wenn wir ihrer Präsenz nicht habhaft werden. Und
sie heißt noch immer „uelg“, ein Wort, das unser Mundwerk wolkig
und unsere Worte poetisch macht.