Die immer wieder auftauchenden Fragen
liegen deswegen auf der Hand: Verhalte ich mich so oder so, weil ich
„Jelle“ oder weil ich „ein Mann“ bin? Ist meine Kollegin
deshalb so einfühlsam, weil sie eine Frau ist? Ist mein Freund
manchmal so stur, weil er ein Mann ist? Die Antworten auf solche
Fragen werden allerdings, auch im akademischen Diskurs, erstaunlich
weit gefächert. Eine Sicht auf einen gemeinsamen Ansatz in Sachen
„Frauen und Männer“ ist nicht vorhanden.
In unserer Gesellschaft steht die
Genderfrage groß wie ein Elefant im Raum, sie wird allerdings oft
negiert. Dafür gibt es, so scheint es mir, zwei Gründe. Der erste
Grund hängt eben damit zusammen, dass eine gemeinsame Sichtweise
nicht vorhanden ist, dass heißt: jedes Gespräch über Frauen und
Männer, über das Weibliche und das Männliche, über Mädels und
Buben, über „nicht parken“ und „nicht denken“ können, über
Venus und Mars droht unangenehm auszuufern.
In solchen Gesprächen wird selten
etwas Neues, Originelles oder Offenes gesagt, Positionen sind bereits
bezogen oder aus Ignoranz gar nicht vorhanden. Dass dies so ist, hängt
damit zusammen, dass die Genderdebatte von intellektuellen
Entweder-oder-Koordinaten festgelegt worden ist, die gerade die
sensiblen Beziehungsfragen außer Acht lassen. Über Männer und
Frauen wird manchmal abstrakt theoretisiert, ohne dabei auf konkrete
Personen zu schauen.
Der zweite Grund des Negierens liegt
darin, dass eingefrorene Positionen Gespenster herbei rufen, die
ungreifbar aber kräftig im Sozialen herumirren. Es ist ein soziales
Gesetz: Was ich denke, jedoch nicht sage, hat in meiner Umgebung eine
verheerende Wirkung, vor allem wenn es um Gedanken geht, die eher
„Meinungen“ sind – um unverarbeitete Vorstellungen also, zu
denen ich innerlich keine Distanz bewahren kann. Gedanken, die ich
nicht wirklich denken kann, sondern gerade umgekehrt, die „mich“
denken und bestimmen, haben die faszinierende Eigenschaft, sich als
kleine „Dämönchen“ zu entpuppen, die unterschwellig die
Rahmenbedingungen einer Beziehung festlegen.
Die soziale Landschaft menschlicher
Beziehungen zwischen Männern und Frauen gehört zu den
gesellschaftlichen Feldern, auf denen Gespenster ihr Unwesen treiben,
Doppelgänger sich wohl fühlen und Zwerge und Trolle so richtig Spaß
haben. Manchmal kann man das unangenehme Gefühl haben, dass die
Genderdebatte darauf abzielt, Männer und Frauen definitiv lächerlich
(was sie aus Sicht der „Dämönchen“ natürlich auch sind) oder
eben zu Feinden zu machen.
Im Grunde genommen jedoch ist es
richtig, dass die Frage gestellt wird: Was macht das Weibliche (in
mir, in dir), was macht das Männliche (in mir, in dir) eigentlich
aus? Und auch: Inwieweit werden Menschen diesbezüglich in Rollen
gedrückt, die sie irgendwann einmal in ihrer Biographie als eine
Last erfahren? Und: Was macht diese Last eigentlich aus?
Die Frage des Wahren sollte besser
nicht von der Frage des Guten getrennt werden. Deswegen interessiert
mich weniger, welche Theorien man an dieser Stelle zitieren könnte,
um weitere Semi-Wahrheiten zu erzeugen. Wichtiger scheint es mir eher
zu sein, unbefangen darauf zu schauen, wie Menschen offenbar
untersuchend und vor allem auch gestaltend in ihrer jeweiligen
Lebenspraxis mit den brennenden Fragen umgehen. Mich würde
interessieren, was die Leserinnen ind Leser dazu zu sagen haben.