Unsere Geschichte ist weder verbürgt noch bewiesen, trotzdem wichtig geworden, wie eine rührende Erzählung, die mehr aussagt als manche harten Tatsachen des Lebens. Sie ist unüberschaubar lang, ich könnte nicht sagen, wo ihr Anfang liegt, und auch ein klares Ende hat sie nicht, wird sie wahrscheinlich nie haben, weil das Erfinden von neuen Bedeutungen ihre Aufgabe ist.
Sie hört unterwegs manchmal auf, wird
unterbrochen und zögert in dunklen Ecken, tritt unerwartet wieder
ans Tageslicht, und entfaltet lebendige Bilder aus einer
Vergangenheit, die offenbar höchst aktuell sind. Mit diesen Bildern
sind wir manchmal alleine, wir schauen einander in die Augen und
staunen.
Sie besteht aus Fragmenten, losen
Absätzen, Skizzen und Entwürfen, ihre Eckdaten befinden sich in
großen zeitlichen Rahmen, ja, in Epochen die Fenster sind, die
nichts einschränken oder festlegen, sondern den Blick frei machen
für Weites und Breites, für Schmales und Enges. Richtige Worte für
die Fenster gibt es eigentlich nicht, in der geschriebenen Geschichte
heißen sie holprig das alte Persien & die Antike & das Reich
der Wikinger & die Renaissance & das Dritte Reich.
Wir sind von der langen Geschichte
umschlungen, wie die Fische vom Rheinwasser, werden von ihr getragen,
weiter geführt, doch manchmal wenden wir uns auf einmal um, gerade
wenn wir Ursprünge suchen, und schwimmen freudig gegen den Strom,
werden am Widerstand wach, fühlen uns wie ganz kleine Kinder, im
Leben strampelnd, sprachlos auch... Sich nur mitführen zu lassen,
bedeutet zu sterben (was eine schöne Angelegenheit ist); sich zu
wenden, bedeutet geboren zu werden (was vielleicht noch schöner
ist).
Unsere Geschichte ist eine Geschichte,
hat also eine bewegliche Architektur, kann sich von sich selber
höflich und liebevoll distanzieren, beleuchtet sich selber ständig
aus anderen Richtungen, richtet Epochen immer wieder neu ein,
schmeißt dabei nichts weg, verliert nichts, findet höchstens neue
Arten und Weisen des Präsentierens, des Darstellens, des Verstehens.
Zu unserer Geschichte haben wir eine Beziehung.
Die Geschichte selber hat eine
Geschichte, mit vielen Schichten, an dieser Stelle wird die
Geschichte verrückt, undurchdrinlich. Wie wäre eine Geschichte zu
benennen, die sich mit sich selber beschäftigt? Nein, eine
Meta-Geschichte wollen wir sie nicht nennen, mit Meta sind wir längst
fertig, Meta ist in der Geschichte-als-Geschichte bereits lange
angekommen, integriert, herzlich aufgenommen, Organ des Verstehen
geworden.
Es gibt nur eine Geschichte, sie
umfasst die Geschichte der Geschichte, trägt sie wie einen kostbaren
Schatz mit. Vielleicht ist sie die wahre Liebesgeschichte?