17.01.2010

Politik der Freundschaft. Vier berühmte Zitate poetisch arrangiert

Aristoteles:
O meine Freunde,
es gibt
keinen Freund.

Friedrich Nietzsche:
O meine Feinde,
es gibt
keinen Feind.

Jacques Derrida:
Freundschaft ist nie
eine gegenwärtige
Gegebenheit. Sie
ist der Erfahrung
des Wartens,
des Versprechens,
der Verpflichtung
anheim gegeben.
Ihr Diskurs ist der
des Gebets. Er
konstatiert nichts,
er stiftet, er beruhigt
sich nicht bei dem,
was ist. Er ist
unterwegs
zu jenem Ort,
an dem eine bestimmte
Verantwortung
sich die Zukunft öffnet.

Aristoteles laut Jacques Derrida:
Der eigentliche politische Akt
besteht darin
soviel Freundschaft
wie möglich
zu stiften.

*** *** *** *** ***

(Erläuterung: Das Zitat von Aristoteles ist in seinen Schriften nicht zu finden. In der Geschichte der Philosophie taucht es aber immer wieder auf, so, als ob er es ganz sicher gesagt hätte. Das Zitat ist als eine Anrede und als eine Klage zu verstehen. Aristoteles redet zu seinen „Freunden“ und sagt betrübt: „Es gibt keinen Freund“. Die Aussage von Nietzsche ist eine Reaktion auf das Zitat von Aristoteles. In seinem Zitat versucht Derrida das Paradox bei Aristoteles in Bewegung zu bringen. Freundschaft, meint er, ist immer im Kommen. Damit kreiert Derrida auf einer höheren Ebene ein neues Paradox: das Zukünftige wird als Gegenwart dargestellt. Alle Zitate aus: Jacques Derrida, Politik der Freundschaft, Suhrkamp 2002)

16 Kommentare:

  1. Ruthild17.1.10

    Lieber Jelle,herzlichen Dank!
    Ruthild

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  2. Anonym17.1.10

    Friendship is true opposition...

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  3. Das (englische) Zitat kommt von C. S. Lewis, oder? Ich meine, dass er damit seine Freundschaft zu Owen Barfield beschreibt... Herzlich, Jelle van der Meulen

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  4. Anonym17.1.10

    Was sagen uns die große Freundschaften aus der Geschichte? Gilgamesj und Enkidu, Achilles und Patrokles, David und Jonathan, Ruth und Naomi, Aristoteles und Alexander, Sigune und Schionatulander (oder war das eine Liebesbeziehung? Wo liegt eigentlich der Unterschied?), Goethe und Schiller, Coleridge und Wordsworth, Steiner und Wegman, Sartre und De Beauvoir, Lennon und McCartney (Oder? Ich meine mit allen Schwierigkeiten: Ja)... S. ZL

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  5. Wen die "Freundschaft" zwischen Wegmann und Steiner interessiert, der möge den 4. Band von J. Emanuel Zeylmans van Emmichoven lesen (herausgekommen: Nov. 2009):
    "Die Erkraftung des Herzens"
    eine Mysterienschulung der Gegenwart.

    Allerdings wird dort meines Erachtens unmittelbar deutlich, dass es sich bei der Begegnung und Begleitung der beiden um mehr als eine Freundschaft handelt - Freundschaft, Liebesbeziehung, Zusammenarbeit.... wo trennen sich die Bedeutungen dieser Begriffe?

    Herzlich! Sophie

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  6. Ruthild Soltau17.1.10

    Liebe Sophie Pannitschka: Geht es nicht immer darum, dass jede echte Freundschaft mehr ist als Freundschaft? Herzliche Grüße
    Ruthild

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  7. Tja, interessante Bemerkung - danke!
    Was ist Freundschaft eigentlich? Und, was ist MEHR als Freundschaft?

    Es gibt so viele Begriffe, die in diesen Zusammenhang gehören...

    Freunde und Feinde - zum Beispiel.

    Was beschäftigt Philosophen an dem Thema?

    Sophie

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  8. FREUNDSCHAFT

    Freundschaft ist der Willen zu mehr, zu einem soliden Fundament,
    zu Arrangement und Bereicherung,
    zu Ergänzung und Vielseitigkeit.

    Freundschaft ist des Weisen Schluss,
    Verlässlichkeit ohne Überdruss.

    (Michael Heinen-Anders)

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  9. Anonym18.1.10

    An Sophie Pannitschka!

    Ein Gedicht von Christian Morgenstern:

    Die zur Wahrheit wandern,
    wandern allein,
    keiner kann dem andern
    Wegbruder sein.

    Eine Spanne gehn wir,
    scheint es, im Chor...
    bis zuletzt sich, sehn wir,
    jeder verlor.

    Selbst der Liebste ringet
    irgendwo fern,
    doch wer´s ganz vollbringet,
    siegt sich zum Stern,

    schafft, sein selbst Durchchrister,
    Neugottesgrund -
    und ihn grüßt Geschwister
    Ewiger Bund.
    Liebe Grüße
    Ruthild

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  10. Herzlichen Dank, Ruthild!

    Mich beschäftigt heute die Überschrift, der Titel „Politik der Freundschaft“ - der über den vier berühmten Zitaten steht.

    In meinem etymologischen Wörterbuch steht unter „Politik“: auf die Durchsetzung bestimmter Ziele und die ‚Gestaltung des öffentlichen Lebens gerichtetes Handeln von Regierungen, Parteien, Gruppierungen‘ und: auch übertragen gebraucht von im Sinne von „berechnendes, zielgerichtetes Vorgehen“.

    Und unter Freundschaft ist zu finden, dass der Begriff „Freund“ mit „lieben“ zu tun hat und auf Blutsverwandtschaft, Stammesgenosse, persönlicher Vertrauter und Kamerad verweist. „Freundschaft“ bedeutet „Gesamtheit der Verwandten“.

    Aber was sind „Verwandte“? Dieser Begriff verweist wiederum auf das Verb „hinwenden“.

    Freunde sind also diejenigen, die sich zueinander hinwenden - auch, wenn sie einander fern sind (und jeder seinen eigenen Weg geht). Aber, wie passt die Politik dazu, das Durchsetzen bestimmter Ziele?

    „Politik der Freundschaft“ – kann es so etwas überhaupt geben? Impliziert die Freundschaft nicht einen offenen Raum - ohne Ziel?

    Herzlich, Sophie

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  11. Ich verstehe Aristoteles und Derrida so. Die Freundschaft bedeutet eine FREIE Beziehung zwischen zwei Menschen, die eine FREIE Beziehung zu sich selber gefunden haben. Laut Aristoteles ist die wichtigste Aufgabe des Gesetzgebers, diese freie Beziehung zu schützen und zu ermöglichen. Politik der Freundschaft bedeutet also: eine Politik, die Freundschaften fördert. Derrida fügt noch hinzu: aus dieser Politik kann eine Politik AUS der Freundschaft heraus entstehen. Übrigens: der Begriff Politik deutet bei Aristoteles auf alles, was mit Gesellschaft (Polis - Stadt) zu tun hat. Und weil Freundschaften die Gesellschaft zusammen halten und darüber hinaus immer wieder neu gestalten, gehören sie auch zum öffentlichen Leben. Freundschaften haben eine soziale und öffentliche "Ausstrahlung". Herzlich, Jelle

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  12. Ja, das klingt gut. Freundschaften haben eine warme Ausstrahlung. Sie sind Schutzräume für das Individuum.

    Eine Gesellschaft braucht Individuen, die persönliche, private und intime Beziehungen pflegen - eben Freundschaften.

    Und wieder: Individuum und Welt vs. Welt und Individuum.
    Netze zwischen Menschen, die Zeichen für das Ganze setzen.

    Herzlich! Sophie

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  13. Ruthild Soltau18.1.10

    Lieber Jelle, liebe Sophie Pannitschka!
    Bei dem Begriff "Politik der Freundschaft" habe ich eine Assoziation, die sich nicht direkt auf Zitate stützt (denn ich kenne die Schrift von Derrida nicht):
    Der einzelne Mensch kann in sich Menschheitsaufgaben fühlen oder erkennen (vielleicht auch beides), aber auch in anderen Menschen.Und Freundschaft kann getragen sein von der Liebe zu dem Menschen UND seinen Menschheitsaufgaben. Das Wort Politik fasse ich viel umfassender auf als es heute meistens gebraucht wird, am wenigsten hat es zu tun mit Parteiinteressen. Politik verstehe ich in diesem Zusammenhang als gegenseitige Unterstützung,eine Zusammenarbeit an Menschheitsaufgaben. Herzlich Ruthild

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  14. GUTE AUSSICHT

    Wunderschön
    war die Zeit
    als wir uns
    noch liebten.

    Es war eine erfüllte,
    prächtige Zeit.

    Du hast mir so geholfen
    das Überwinden zu
    überwinden.

    Dafür danke ich
    Dir
    von Herzen.

    Nun aber heißt es:

    Das Banner der Freundschaft
    wird nie vergehen

    so haben wir
    es mindestens
    auf unsere
    Fahnen geschrieben.

    Bliebe es dabei
    so wäre dies doch
    wenigstens:
    eine gute Aussicht.

    (Michael Heinen-Anders)

    http://www.books.google.de/books?isbn=3839137535

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  15. Anonym21.1.10

    Heute früh nur dies:

    Kennt jemand die Aufzeichnungen Ciceros über die Freundschaft?

    Vielleicht sind da auch noch interessante Gedanken zu finden...

    Herzlich, Sophie

    Cicero:
    Gespräche über Freundschaft, Alter und die Freiheit der Seele

    Reclam Verlag
    Neuübersetzung.
    Übers. und Hrsg.: Marion Giebel.
    190 S. Leinen mit Schutzumschlag. ISBN 978-3-15-010715-7

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  16. Anonym21.1.10

    Hallo Jelle.
    für mich basiert Freundschaft auf einer absolut freiwilligen Basis und durch diese Freiwilligkeit kann ich meinen(e) Freund(in) so sein lassen, wie er/sie ist. Dies basiert auf einer Entscheidung, die ich von innen heraus treffe und sich entwickelt, ein innerer Prozess.
    Politik bedeutet für mich etwas alltägliches, eine Meinung haben, Stellung beziehen, kritisieren und loben, ohne meine Meinung als die universelle Wahrheit darzustellen, sondern als etwas Entwicklungsfähiges.
    Was könnte dann eine "Politik der Freundschaft" bedeuten?
    Wenn ich meinen Freund so lassen kann, wie er ist (und er mich auch), kann ich meinen Standpunkt äußern und trotzdem seinen akzeptieren und so kann sich unser Horizont erweitern, weil wir keinen universellen Wahrheitsanspruch haben sondern uns entwickeln möchten.
    Auf dieser Basis könnten durchaus viele Freundschaften entstehen und Politik wäre etwas geistig befruchtendes.
    Liebe Grüsse
    Ralf G.

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